Neuromuskulärer Ultraschall ist eine bildgebende Diagnosetechnik, bei der Hochfrequenz-Schallwellen eingesetzt werden, um hochauflösende Echtzeitbilder von Muskeln, Nerven und deren Interaktionen zu erzeugen. Diese Technologie wird immer häufiger genutzt für eine verbesserte Diagnose bei neuromuskulären Störungen, zur Validierung von Behandlungsplänen und Überwachung des Behandlungsfortschritts sowie für die Anleitung von Interventionen wird immer häufiger genutzt.
Der neuromuskuläre Ultraschall dient zwar nicht als Ersatz für die Elektromyographie und die Nervenleitungsmessung, ist aber eine kostengünstige, nichtinvasive Methode zur Beurteilung neuromuskulärer Störungen. Mit der Technologie lassen sich nachweislich die Bewertungen von Myopathien und Neuropathien¹, sowie die Diagnosen² verbessern. Zudem hilft die Technologie bei der Überwachung des Fortschreitens von Erkrankungen. Mittlerweile ist der neuromuskuläre Ultraschall sogar zu einem Standardinstrument für die Beurteilung von peripheren Nerven- und Muskelerkrankungen³ wie der amyotrophen Lateralsklerose (ALS), der peripheren Neuropathie und der Muskeldystrophie geworden.
Die technologischen Fortschritte bei der hochauflösenden Ultraschall-Bildgebung in den letzten zwei Jahrzehnten haben dazu beigetragen, dass in neurologischen Praxen zunehmend Ultraschallsysteme eingesetzt werden. Neurologen und andere Fachärzte verlassen sich zunehmend auf den neuromuskulären Ultraschall, um ihr Untersuchungsspektrum zu erweitern. Darüber hinaus wird der neuromuskuläre Ultraschall zur Unterstützung bei Nadelinsertionen und Injektionen sowie zur Bestätigung von Behandlungsplänen eingesetzt. Die zusätzlichen Erkenntnisse, die der neuromuskuläre Ultraschall liefert, sind für die Patienten weder mit unnötiger Strahlungbelastung noch mit anderweitigen Unannehmlichkeiten verbunden.
Der neuromuskuläre Ultraschall lässt sich gut mit der Elektromyographie (EMG) und Nervenleitungsmessungen kombinieren, um eine umfassendere Beurteilung des Patientenzustands zu ermöglichen. Der neuromuskuläre Ultraschall liefert hochauflösende Echtzeitbilder von Muskeln, Nerven und deren Interaktionen und hilft so häufig dabei, die Ursache von patientenseitigen Symptomen zu erkennen. Bei Motoneuronen-Erkrankungen wie beispielsweise ALS hilft die Ultraschall-Bildgebungstechnologie bei der Beurteilung der Denervierung der Muskeln.4
Ein wichtiges Merkmal des neuromuskulären Ultraschalls ist die Möglichkeit zur Visualisierung in Echtzeit. Im Gegensatz zu statischen Bildern, die nur eine Momentaufnahme darstellen, bietet diese Technologie dynamische Einblicke in die Muskel- und Nervenfunktion. Neurologen und andere Fachärzte können Veränderungen direkt in Echtzeit betrachten und so fundierte Entscheidungen treffen. Eine solche Bildgebung kann sich bei der Diagnose von Erkrankungen, die sich in Bewegungsanomalien äußern, oder bei der Beurteilung von Muskel- und Nervenreaktionen während verschiedener Aufgaben als unschätzbar wertvoll erweisen.
Der neuromuskuläre Ultraschall ist die ideale, ergänzende Modalität, die eine wertvolle anatomische Korrelation zur EMG-Elektrophysiologie liefern kann.
Jeffrey A. Strakowski, MD
Ohio State University
Neuromuskuläre Störungen können sich auf verschiedene Weise äußern, oftmals mit subtilen oder frühen Symptomen. Mit dem neuromuskulären Ultraschall lassen sich strukturelle Anomalien sehr gut erkennen, noch bevor diese klinisch bedeutsam werden. Er wird auch häufig zur Diagnose von Nerven-Entrapment-Syndromen eingesetzt, einschließlich beim Karpaltunnelsyndrom, das 90 % aller Neuropathien ausmacht.5 Mit Hilfe der Hochfrequenz-Ultraschalltechnologie können Veränderungen der Nervenbeweglichkeit, durch lokale Entzündungen und/oder Verletzungen verursachte Gefäßveränderungen und andere Indikatoren für Entrapment-Neuropathien erkannt werden.
Das Karpaltunnelsyndrom und andere Nerven-Entrapment-Syndrome treten häufig in anatomisch komplexen Regionen auf, in denen Nerven durch enge Passagen oder Tunnel verlaufen. Mit dem neuromuskulären Ultraschall ist es möglich, eine klare Visualisierung dieser anatomischen Strukturen und damit einen besseren Einblick in die genaue Lage und die möglichen Ursachen der Nervenkompression zu erhalten. Die Möglichkeit, Erkrankungen dynamisch aufzuzeigen, ist besonders wertvoll, da sich die Symptome von Nerven-Entrapments häufig durch bestimmte Handlungen oder Positionen verschlimmern, die während der eigentlichen Ultraschalluntersuchung beobachtet werden können.
Hochauflösender Ultraschall hat sich auch bei der Unterscheidung zwischen Nerven-Entrapment-Syndromen und anderen Erkrankungen wie Arthritis, Radikulopathien und bestimmten Muskelerkrankungen bewährt.6
Neuropathien und Radikulopathien sind zwei Kategorien neurologischer Erkrankungen, die das periphere Nervensystem betreffen. Neuropathien betreffen periphere Nerven, die vom Rückenmark in verschiedene Körperregionen führen; die Erkrankung äußert sich häufig als Taubheitsgefühl, Kribbeln, Kraftlosigkeit und Schmerzen im Bereich der betroffenen Nerven. Bei Radikulopathien hingegen sind die Nervenwurzeln am Austritt aus dem Rückenmark komprimiert, entzündet oder gereizt. Je nach betroffener Nervenwurzel treten häufig Schmerzen, Kraftlosigkeit und Gefühlsveränderungen in bestimmten Körperregionen auf.
Bei beiden Erkrankungen ist die neuromuskuläre Ultraschalluntersuchung von besonderem Nutzen, da sie den genauen Ort der Nervenkompression und/oder -verletzung bestimmen kann. Dazu gehört die Erkennung subtiler struktureller Anomalien und anderer Nervenpathologien7 sowie anatomischer Veränderungen im Zusammenhang mit Nervenvergrößerungen, Gefäßveränderungen und anderen Symptomen. Bei Radikulopathien kann die Technologie den Chirurgen dabei unterstützen, den genauen Beteiligungsgrad der Nervenwurzel zu bestimmen.
Die dynamischen Bildgebungsmöglichkeiten beim neuromuskulären Ultraschall sind für die Überwachung des Behandlungsfortschritts von unschätzbarem Wert. Die Technologie spielt eine entscheidende Rolle bei der postoperativen Beurteilung, da sie in Echtzeit Einblicke in den Heilungsprozess, die Transplantatintegration und mögliche Komplikationen bietet. Sie hat sich bei der Erkennung von postoperativen Nervenverletzungen8 als außerordentlich zuverlässig erwiesen und trägt dazu bei, einige Einschränkungen der EMG und von Nervenleitungsmessungen bei der Beurteilung von Nervenschäden zu überwinden.
Mit dem neuromuskulären Ultraschall haben Neurologen und andere Fachärzte die Möglichkeit, Veränderungen der Nervengröße, der Muskelbeweglichkeit oder der Kompression im Laufe der Zeit zu verfolgen. Die Nachverfolgung von Veränderungen der Muskel- und Nervenstrukturen im Behandlungsverlauf stellt sicher, dass Pläne bei Bedarf angepasst werden können, um die Genesung zu optimieren und die Patientenergebnisse zu verbessern. Die Technologie liefert auch Informationen über die Behandlungspläne im Verlauf der Physiotherapie und gibt kontinuierlich visuelles Feedback zur Regeneration von Muskeln und Sehnen.
Bei neuromuskulären Störungen besteht häufig ein besonderer Bedarf an nicht-invasiven, tragbaren und zugänglichen Techniken. Der neuromuskuläre Ultraschall erfüllt diese Anforderungen und bietet gleichzeitig eine kostengünstigere Alternative für klinische Praxen und Gesundheitsdienstleister. Da der neuromuskuläre Ultraschall den Ärzten mehr Genauigkeit bei der Verabreichung von Injektionen und Nadelinsertionen bietet, verringert er auch die physischen und emotionalen Auswirkungen auf die Patienten.
Kurzum bietet der neuromuskuläre Ultraschall viele Vorteile, nicht zuletzt auch folgende:
Neuromuskulärer Ultraschall ist ein wertvolles Instrument für die Diagnose, Überwachung und Behandlung vieler neuromuskulärer Erkrankungen. Als kostengünstige Technologie, die bei der Erkennung neuromuskulärer Pathologien hilft, erhöht sie die Beurteilungsgenauigkeit des Arztes und den Patientenkomfort und bietet eine hervorragende Ergänzung zur EMG und der Nervenleitungsmessung.
Quellen
1. Zaidman CM, van Alfen N. Ultrasound in the Assessment of Myopathic Disorders. J Clin Neurophysiol. 2016 Apr;33(2):103-11. doi: 10.1097/WNP.0000000000000245. PMID: 27035250.
2. Mah, J., & Van Alfen, N. (2018). Neuromuscular Ultrasound: Clinical Applications and Diagnostic Values. Canadian Journal of Neurological Sciences, 45(6), 605-619. doi:10.1017/cjn.2018.314
3. Hannaford A, Vucic S, Kiernan MC, Simon NG. Review Article „Spotlight on Ultrasonography in the Diagnosis of Peripheral Nerve Disease: The Evidence to Date“. Int J Gen Med. 2021 Aug 16;14:4579-4604. doi: 10.2147/IJGM.S295851. PMID: 34429642; PMCID: PMC8378935.
4 Barnes SL, Simon NG. Clinical and research applications of neuromuscular ultrasound in amyotrophic lateral sclerosis. Degener Neurol Neuromuscul Dis. 2019 Jul 16;9:89-102. doi: 10.2147/DNND.S215318. PMID: 31406480; PMCID: PMC6642653.
Sevy JO, Varacallo M. Carpal Tunnel Syndrome. [Updated 2022 Sep 5]. In: StatPearls [Internet]. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing; 2023 Jan-. Available from: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK448179/
5.Walker FO, Cartwright MS, Alter KE, Visser LH, Hobson-Webb LD, Padua L, Strakowski JA, Preston DC, Boon AJ, Axer H, van Alfen N, Tawfik EA, Wilder-Smith E, Yoon JS, Kim BJ, Breiner A, Bland JDP, Grimm A, Zaidman CM. Indications for neuromuscular ultrasound: Expert opinion and review of the literature. Clin Neurophysiol. 2018 Dec;129(12):2658-2679. doi: 10.1016/j.clinph.2018.09.013. Epub 2018 Sep 25. PMID: 30309740.
6. Yoon JS, Walker FO, Cartwright MS. Ulnar neuropathy with normal electrodiagnosis and abnormal nerve ultrasound. Arch Phys Med Rehabil. 2010 Feb;91(2):318-20. doi: 10.1016/j.apmr.2009.10.010. PMID: 20159139; PMCID: PMC2892824.
7. Huang J, Li J, Wang H. The Principles and Procedures of Ultrasound-guided Anesthesia Techniques. Cureus. 2018 Jul 13;10(7):e2980. doi: 10.7759/cureus.2980. PMID: 30237941; PMCID: PMC6141058.
8. The Benefits of Neuromuscular Ultrasound Immediately After Surgery: A Case Example (4870) Laura Danielson, David Preston Neurology Apr 2020, 94 (15 Supplement) 4870;
9. Mercuri M, Sheth T, Natarajan MK. Radiation exposure from medical imaging: a silent harm? CMAJ. 2011 Mar 8;183(4):413-4. doi: 10.1503/cmaj.101885. Epub 2011 Feb 7. PMID: 21324851; PMCID: PMC3050942.