Erkennung pädiatrischer Netzhauterkrankungen bei Neugeborenen

Das menschliche Auge ist unser Fenster zur Welt um uns herum. Die meisten Menschen sind sich jedoch nicht der Bedeutung bewusst, die dem Schutz unserer Augen zukommt, bis sie eine Sehbehinderung erleiden. Während der Entwicklung unserer Sehkraft über mehrere Jahre der Kindheit hinweg bis zur vollen Ausbildung um das siebente Lebensjahr1 herum ist es äußerst wichtig, pädiatrische Augenprobleme so frühzeitig wie möglich zu diagnostizieren.

 

In diesem Artikel erfahren Sie, was die häufigsten pädiatrischen Netzhauterkrankungen bei Neugeborenen sind und wie diese unter Verwendung digitaler Augenbildgebungssysteme auf effektive Weise erkannt werden können.

Was sind pädiatrische Netzhauterkrankungen?

Unser Sehvermögen resultiert aus der Netzhaut2. Diese dünne Gewebeschicht kleidet den hinteren Augenabschnitt aus und erkennt Licht und Farben. Bei normaler Sehkraft enthält die Netzhaut Photorezeptoren, die als Stäbchen und Zapfen bekannt sind und Licht in elektrische Impulse umwandeln, die über den Sehnerv an das Gehirn geleitet werden. Das Gehirn verarbeitet die Impulse dann als visuelle Informationen wie Bilder in einer Kamera.
Es gibt mehrere Arten von Netzhauterkrankungen, die jedoch alle eine Schädigung des Netzhautgewebes gemeinsam haben, die zu einer Störung der Übertragung von Informationen von den Photorezeptoren an das Gehirn führt. Diese Schädigung kann, wenn sie nicht ordnungsgemäß von Augenspezialisten erkannt und behandelt wird, zum fortschreitenden Verlust des Sehvermögens und manchmal bis zur Erblindung führen.

 

Was sind die häufigsten pädiatrischen Netzhauterkrankungen bei Neugeborenen?

Netzhauterkrankungen können sich bei Kindern ganz anders manifestieren als bei Erwachsenen. Daher gibt es verschiedene Erwägungen, die speziell für das Management pädiatrischer Patienten mit Netzhauterkrankungen gelten. Im folgenden Abschnitt werden die häufigsten pädiatrischen Netzhauterkrankungen bei Neugeborenen untersucht.

1. Retinoblastom

Das Retinoblastom (Bild 2) ist eine Art von Augenkrebs, bei dem sich Krebszellen in der Netzhaut eines Auges oder beider Augen bilden (Bild 2). Das Retinoblastom betrifft am häufigsten Säuglinge und Kleinkinder, tritt jedoch nur selten bei Kindern im Alter über sechs Jahren auf.
Das durchschnittliche Alter von Kindern, die mit einem Retinoblastom diagnostiziert werden, beträgt zwei Jahre. Jedoch werden manche Kinder möglicherweise bereits mit Tumoren geboren. Das Retinoblastom ist eine seltene Krebserkrankung, die etwa 2 % der Krebserkrankungen im Kindesalter ausmacht. Nach Angaben der American Cancer Society werden in den USA jedes Jahr ca. 200 bis 300 Kinder mit Retinoblastom diagnostiziert3.

Ursachen des Retinoblastoms
Das Retinoblastom wird durch DNA-Veränderungen (genetische Mutationen) der Nervenzellen in der Netzhaut verursacht. Diese Mutationen führen dazu, dass die Zellen weiter wachsen und sich vermehren, wenn gesunde Zellen absterben würden. Diese sich sammelnde Masse von Zellen bildet einen Tumor.
Jede Zelle verfügt normalerweise über zwei RB1-Tumorsuppressoren, die steuern, wie schnell die Zellen wachsen, und Zellen zur richtigen Zeit absterben lassen. Mit wenigstens einem funktionsfähigen RB1-Gen bildet die Netzhautzelle kein Retinoblastom. Wenn jedoch beide RB1-Gene eine Mutation aufweisen, kann die Zelle unkontrolliert wachsen. Dies verursacht weitere Genveränderungen, die möglicherweise dazu führen, dass Zellen zu Krebszellen werden. Die RB1-Mutation kann entweder in allen Zellen des Körpers oder in nur einer Zelle in einem einzigen Auge auftreten:4

  • Erbliches Retinoblastom: Etwa 1 von 3 Kindern mit Retinoblastom weist eine Keimbahnmutation in einem RB1-Gen auf, die die Mutation in allen Zellen des Körpers verursacht. Bei 75 % dieser Fälle entstand die RB1-Mutation entweder in einer Ei- oder Samenzelle, die das Kind gebildet hat, oder in einer der Zellen des Kindes während der Schwangerschaft. Die anderen 25 % der Kinder entwickeln erbliches Retinoblastom, weil ein Elternteil die RB1-Mutation trägt und über das Erbgut an das Kind weitergibt.5
  • Nicht-erbliches Retinoblastom: Bei den meisten der verbleibenden 2 von 3 Kindern mit Retinoblastom erfolgt die RB1-Mutation früh im Leben und tritt zunächst in nur einer Zelle in einem einzigen Auge auf. In diesem Fall wird die Genmutation nicht in Familien vererbt.6

 

Symptome des Retinoblastoms
Das Retinoblastom wird häufig erkannt, weil das Auge eines Kindes ein ungewöhnliches Erscheinungsbild aufweist. Wenn Licht in das Auge eintritt, reflektiert die Netzhaut gewöhnlich einen kleinen Teil des Lichts durch die Pupille zurück. Aufgrund der Blutgefäße im hinteren Augenabschnitt weist das reflektierte Licht eine rötliche Farbe auf, die als Fundusrotreflex bezeichnet wird. Abnormalitäten in der Netzhaut können entweder einen fehlenden Fundusrotreflex verursachen oder auch einen weißen Pupillarreflex, der als Leukokorie bezeichnet wird.7

Zu weniger verbreiteten Anzeichen und Symptomen des Retinoblastoms können Folgende gehören8:

  • Sehstörungen
  • Augenschmerzen
  • Rötung des weißen Teils des Auges
  • Blutung im vorderen Teil des Auges
  • Hervortretendes Auge
  • Wenn sich eine Pupille, die hellem Licht ausgesetzt wird, nicht verengt
  • Eine unterschiedliche Farbe in jeder Iris

2. Frühgeborenen-Retinopathie

Frühgeborenen-Retinopathie (ROP) ist eine Netzhauterkrankung, die vor Termin geborene Säuglinge betreffen kann. Die Netzhaut wird bei diesen Frühgeborenen nicht vollständig ausgebildet und eine abnormale Entwicklung schwacher Netzhaut-Blutgefäße kann zu Sehbehinderungen führen.
Nach Angaben des National Eye Institute sind in den USA jedes Jahr 14.000 bis 16.000 Säuglinge in bestimmtem Maße von ROP betroffen. Etwa 90 % dieser Fälle werden als leicht eingestuft und diese Säuglinge benötigen bei Besserung der Krankheit keine Behandlung.

In schweren Fällen entwickeln die Säuglinge jedoch möglicherweise eine Netzhautablösung (Bild 3), bei der sich die Netzhaut von der Schicht der Blutgefäße trennt, die die Netzhaut mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt. Unbehandelt kann dieser Zustand zur Erblindung führen. Aus diesem Grund werden Frühchen in der NICU von Krankenhäusern sorgfältig auf ROP untersucht.9

Erfahren Sie in diesem Artikel, wie das Screening von Neugeborenen auf ROP mithilfe von Augenbildgebung optimiert werden kann. 

Ursachen der Frühgeborenen-Retinopathie 
Es besteht Ungewissheit darüber, wodurch eine ROP verursacht wird. Ein geringes Geburtsgewicht und wie früh ein Baby geboren wird gelten jedoch als Faktoren, die das ROP-Risiko erhöhen.  Wenn ein Baby zum Termin geboren wird, ist das Wachstum der Blutgefäße weitgehend abgeschlossen, da sich die Netzhaut einige Wochen bis zu einem Monat vor der Geburt vollständig ausgebildet hat. Wenn ein Baby vor Termin geboren wird und die Blutgefäße die Ränder der Netzhaut noch nicht erreicht haben, wird die normale Gefäßbildung möglicherweise unterbrochen.10

Symptome einer Frühgeborenen-Retinopathie 
In schweren Fällen von ROP entwickeln Säuglinge möglicherweise sichtbare Symptome wie Leukokorie, Nystagmus (abnormale Augenbewegungen) und Strabismus (Schielen). Da die meisten Anzeichen einer ROP jedoch tief im Inneren der Augen auftreten, sind diese nicht leicht erkennbar und können gewöhnlich nur von einem Ophthalmologen festgestellt werden, der die Netzhaut des Babys untersucht.11

3. Angeborene Augenerkrankungen

Das menschliche Auge wird durch ein komplexes Verfahren während der Embryonalentwicklung gebildet. Bei diesem Verfahren auftretende Probleme können zu angeborenen (bei der Geburt vorhandenen) Fehlbildungen der Augen führen, zu denen u. a. Anophthalmie (Fehlen der Augenanlage), Mikrophthalmie (Kleinheit der Augäpfel), Kolobom (Spaltbildung im Bereich des Auges), Aniridie (fehlende oder partiell vorhandene Iris) und Hypoplasie des Sehnervs (Unterentwicklung des Sehnervs) gehören. Angeborene Augenerkrankungen sind relativ selten und treten nur bei etwa fünf von 10.000 Lebendgeburten auf.12

 

Ursachen von angeborenen Augenerkrankungen 
Manche angeborenen Augenerkrankungen werden durch Gene über das Erbgut weitergegeben, während andere das Ergebnis von Erkrankungen oder Unterversorgung während der Schwangerschaft sind. Siehe Beschreibungen unten:

  • Anophthalmie ist ein angeborener Augendefekt, wenn ein Baby ohne einen oder beide Augäpfel geboren wird. Dies wird durch Veränderungen in den Genen oder Chromosomen bzw. durch die Einnahme bestimmter Arzneimittel durch die Mutter während der Schwangerschaft verursacht.
  • Mikrophthalmie ist ein angeborener Augendefekt, wenn ein oder beide Augäpfel nicht vollständig ausgebildet wurden. Dies wird durch Veränderungen in den Genen oder Chromosomen des Säuglings bzw. durch die Einnahme bestimmter Arzneimittel durch die Mutter während der Schwangerschaft verursacht.
  • Ein angeborener Katarakt (Bild 4) ist eine Undurchlässigkeit oder Trübheit der natürlichen Linse der Augen, die zu verschwommenem Sehen oder Verlust des Sehvermögens führt. Angeborene Katarakte können in einem Auge oder in beiden Augen auftreten und zeichnen für beinahe 10 % aller Sehverluste bei Kindern auf der ganzen Welt verantwortlich.13
  • Neugeborenenkonjunktivitis ist eine Entzündung des äußeren Auges, die Säuglinge nach der Geburt betrifft. Diese Erkrankung wird gewöhnlich durch eine neonatale bakterielle Infektion verursacht, die sich Säuglinge während der vaginalen Entbindung durch Kontakt mit Bakterien wie Neisseria gonorrhoeae oder Chlamydia trachomatis im Geburtskanal zuziehen. Folglich ist es eine empfohlene Praxis, innerhalb von einer Stunde nach der Geburt eine antibiotische Salbe auf die Augen aller Neugeborenen aufzutragen, um Neugeborenenkonjunktivitis zu verhindern.
  • Toxoplasmose wird durch Infektion mit dem Parasiten Toxoplasma gondii hervorgerufen, der gewöhnlich das Ergebnis des Verzehrs von nicht durchgebratenem kontaminiertem Fleisch oder Kontakt mit infiziertem Katzenkot ist. Ein Baby weist das höchste Risiko einer Ansteckung mit Toxoplasmose auf, wenn sich die Mutter im dritten Trimester der Schwangerschaft infiziert.14

Symptome von angeborenen Augenerkrankungen 
Symptome von angeborenen Augenerkrankungen schließen ein ungewöhnliches Erscheinungsbild eines Auges oder beider Augen und vermindertes Sehvermögen ein. Diese Symptome werden gewöhnlich bei einer Augenuntersuchung festgestellt, jedoch muss der Patient gelegentlich weiterführenden Tests unterzogen werden, zu denen Augenbildgebung, MRT, CT-Scan oder Ultraschall gehören.15

 

Wie können pädiatrische Netzhauterkrankungen erkannt werden?

Eines der am häufigsten verwendeten ophthalmischen Instrumente zur Erkennung pädiatrischer Netzhauterkrankungen ist ein binokulares indirektes Ophthalmoskop (BIO). Das BIO wird auf dem Kopf des Ophthalmologen angebracht und bietet diesem eine visuelle Darstellung des Inneren der Augen durch eine Vergrößerungsoptik. Es ermöglicht die Beobachtung der Netzhaut durch Bewegung des BIO-Geräts und der Vergrößerungsoptik, während eine sklerale Depression angewandt wird.16

 

 

 

 

 

 

Dies ist gewöhnlich ein zeitaufwändiges Verfahren, das den Besuch eines Ophthalmologen vor Ort erforderlich macht. Mithilfe digitaler Augenbildgebung in Kombination mit Telemedizin kann ein effektives und effizientes Screening durchgeführt werden. Darüber hinaus erfordern bestimmte Erkrankungen wie Anopthalmie oder Mikrophthalmie eine externe Bildgebung des Auges zu Dokumentationszwecken, die wiederum auf einfache Weise mithilfe von digitaler Bildgebung durchgeführt werden kann.

 

 

 

 

Digitale Augenbildgebung zur Erkennung von ROP auf der NICU kann sehr einfach durch geschultes NICU-Personal am Bett eines Babys durchgeführt werden. Hierbei haben sich Systeme wie RetCam bewährt, die ein volles 130 Grad weites Sehfeld bereitstellen, während das BIO nur ein 30-Grad-Sehfeld bietet17. Die Verwendung digitaler Bilder anstelle von basierend auf dem menschlichen Gedächtnis handgezeichneter Dokumentation ermöglicht die objektive Ermittlung des Stadiums und Fortschreitens einer Erkrankung. Zudem verbessert die Fähigkeit zur Weiterleitung von Bildern an andere behandelnde Ärzte zum Einholen einer zweiten Meinung die Genauigkeit von Untersuchungen und Diagnosen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Dementsprechend spielt die digitale Augenbildgebung bei der Unterstützung von Ophthalmologen und behandelnden Ärzten eine wichtige Rolle. Digitale Augenbildgebung ermöglicht die einfache Dokumentation und das Versenden von Bildern für das Einholen einer zweiten Meinung oder für eine Überweisung. Neben der effektiveren Nutzung von Ressourcen durch das NICU-Personal versetzt die digitale Augenbildgebung Anbieter von ROP-Untersuchungen auch in die Lage, geografische Grenzen zu überwinden und zeitnahe Entscheidungen für die Augengesundheit von Säuglingen zu treffen. Bei Patienten mit Retinoblastom kann die digitale Augenbildgebung behandelnde Ärzte außerdem bei der Klassifizierung von Tumoren und der Erstellung von zeitnahen Behandlungsplänen unterstützen, um die bestmöglichen Ergebnisse zu erzielen. Bilder der Netzhaut ermöglichen Ärzten auch die Nachverfolgung von Tumoren auf jegliches Wachstum sowie den Vergleich von Bildern über alle Behandlungsphasen hinweg. Die digitale Visualisierung von pädiatrischen Netzhauterkrankungen eignet sich außerdem als Lernmittel für Ärzte sowie für die Eltern und Erziehungsberechtigten von Säuglingen, um eine bessere Versorgung von Patienten zu erreichen.

 

 

Literatur:
1. https://healthcare.utah.edu/moran/ophthalmology/pediatric/pediatric-retina.php 
2. https://childrensnational.org/visit/conditions-and-treatments/eye-conditions/retinal-disorders 
3. https://www.cancer.org/cancer/retinoblastoma/about/key-statistics.html 
4. https://www.cancer.org/cancer/retinoblastoma/causes-risks-prevention/what-causes.html
7. https://www.cancer.org/cancer/retinoblastoma/detection-diagnosis-staging/signs-and-symptoms.html
9. https://www.nei.nih.gov/learn-about-eye-health/eye-conditions-and-diseases/retinopathy-prematurity
11. https://www.childrenshospital.org/conditions-and-treatments/conditions/r/retinopathy-of-prematurity-rop/symptoms-and-causes
12. Pediatric Congenital/Developmental Anomalies Affecting the Eye and Orbit – Conditions and Treatments | Children’s National Hospital (childrensnational.org)
13. https://en.wikipedia.org/wiki/Congenital_cataract
14. https://www.mayoclinic.org/diseases-conditions/toxoplasmosis/symptoms-causes/syc-20356249
15. https://childrensnational.org/visit/conditions-and-treatments/eye-conditions/congenital-developmental-anomalies-affecting-the-eye-and-orbit
16. Binocular Indirect Ophthalmoscopy. EyeWiki, 2 Oct. 2019, https://eyewiki.aao.org/Binocular_Indirect_Ophthalmoscopy
17. Binocular Indirect Ophthalmoscopy. EyeWiki, 2 Oct. 2019, eyewiki.aao.org/Binocular_Indirect_Ophthalmoscopy.

 

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